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Modest Petrowitsch Mussorgsky

Modest Petroleum

1839-1881

Das russische Musikleben im 19. Jahrhundert wurde von Nationalbewußtsein und Volksverbundenheit bestimmt. Das Sammeln von Volksliedern beispielsweise muß in dieser Zeit Formen von progressivem Musikersport angenommen haben, was bei Mussorgsky besonders deutlich wird, der sich über jedes gefundene Volkslied gefreut haben soll wie ein Kind.

Das Nationalistische schlägt sich aber sehr unterschiedlich im Werk der russischen Komponisten dieser Epoche nieder: Während es bei Glinka ein Zeichen von nationalem Selbstbewußtsein ist und bei Dargomyshski eher Experimentierfreude ausdrückt, wird es bei Mussorgsky zur zwanghaften Identitätssuche, bei Borodin zum Charaktermerkmal seiner Musikerpersönlichkeit und bei Tschaikowsky zur Attitüde. Der junge Skrijabin schließlich reduziert es auf die Phänomene seiner Leidenschaft und "russischen Wildheit".

Für Mussorgsky war die Sprache das Wichtigste. Er weigerte sich, absolute Musik zu komponieren. Als mehr oder weniger Autodidakt blieb er so gut wie unberührt von jeglicher Musiktheorie, was ihn scheint's auch nie gestört hat. Er bildete sich seine eigene: "Die Kunst … stellt ein Mittel dar, mit Menschen ein Gespräch zu führen, ist aber nicht um ihrer selbst willen vorhanden … Überzeugt davon, daß die Sprache des Menschen durch musikalische Gesetze geregelt wird (vgl. Virchow, Gervinus), sehe ich die Aufgabe der Musik darin, nicht allein Gefühlsregungen in Tönen wiederzugeben, sondern die menschliche Rede selbst."

Sein Medium ist die Musiksprache im engsten Sinne, seine Themen die russische Geschichte und die Leiden und Freuden des russischen Volkes. Zum einen orientiert er sich dabei am Volkslied, zum anderen eben an der russischen Sprache selbst.



So ist es auch nicht verwunderlich, daß sein Hauptwerk in Liederzyklen aus eigener Feder besteht wie »Ohne Sonne« und »Lieder und Tänze des Todes«, mit denen er als Pianist mit einer Sängerin auch gern auf Tournee gegangen ist. Der Vorteil von Liedern ist, daß sie kurz sind; das kann man von der anderen wortlastigen Gattung, der Oper, nicht behaupten. Ihrer begann er fünf zu schreiben, vollendete und instrumentierte allerdings nur »Boris Godunow«.

Sein bekanntestes Werk aber ist sicherlich »Bilder einer Ausstellung«, das ohne Sprache auskommt. Es sind "musikalische Bilder aus dem Klavier". Als Vorlage dienten die Exponate einer Gedächtnisausstellung für den russischen Architekten und Maler Viktor Alexandrowitsch Hartmann, der kurz zuvor gestorben war. Jedes Stück dieser Klaviersuite ist betitelt und enthält ein Programm. Doch weitet diese Komposition den Begriff der Programmusik sehr aus, da Mussorgsky hier sowohl Bilder beschreibt und (russische) Geschichten erzählt als auch persönliche Eindrücke und Empfindungen wiedergibt.

Künstler griffen die »Bilder einer Ausstellung« immer wieder auf, angefangen bei: Rimsky-Korsakow – Mussorgskys Mitstreiter – über Maurice Ravel bis zu Emerson, Lake & Palmer. Ravels Orchestrierung ist dabei fast bekannter als das Original, nicht zuletzt da er ein damals gerade erst 80 Jahre altes Jazzinstrument, ein Altsaxophon, die Melodielinie in dem Bild »Das alte Schloß« hat spielen lassen, was für großes Aufsehen sorgte. Interessant ist auch Kandinskys Ansatz, der zu Mussorgskys Musik ein Figurenballett mit geometrischen Formen entwickelt, sie also wieder in abstrakte Bilder rückübersetzt hat.

Marcel Jensen

OBST-Diskographie

Als Komponist:
OBST Almanach des Jahres 2003